Für uns ist es normal, die Schule zu besuchen – wenn wir auch nicht immer Lust darauf haben oder hatten. Es ist normal, ein Studium zu absolvieren und danach Geld zu verdienen. Und es ist normal, den Lebensstandard zu erhöhen und sich schöne Sachen wie etwa Mode zu kaufen.
Viel zu selten machen wir uns aber Gedanken darüber, wie es in anderen Teilen der Welt aussieht, in Südostasien oder in Afrika beispielsweise. Dort ist das alles nicht normal. Stattdessen leben viele der Familien so arm, dass die Kinder schuften müssen, um ihre Familien mit zu ernähren. Doch sie fahren nicht – wie bei uns – entspannt mit dem Fahrrad los und stecken das Wochenblatt in die Briefkästen.
Die Kinder sitzen mit ihren 5 bis 14 Jahren in spärlich beleuchteten Textilfabriken und Spinnereien an lauten Maschinen. Sie arbeiten auf Baumwollfeldern und kommen mit Pestiziden in Kontakt. Sie setzen sich körperlichen wie auch seelischen Gefahren aus, während sie die Textilwaren herstellen, die wir für ein paar Euro erstehen.
Die Kinder leisten extrem harte Arbeit.
Arbeit, die unsereins nicht einmal im Erwachsenenalter leisten möchte.
Und Arbeit, die kaum entlohnt wird.
Es ist Wochenende. Sie shoppen ein bisschen durch die Innenstadt. Und Sie kaufen sich ein T-Shirt für 29 Euro – „schon recht teuer“, denken Sie sich. Doch der Stoff fühlt sich schön weich an und das Produkt scheint ordentlich verarbeitet zu sein.
Wissen Sie, was Näher*innen in Südostasien von diesen für Sie teuren 29 Euro bekommen?
18 Cent.
Kinder würden für dieselbe Arbeit nur einen Bruchteil davon erhalten. Ein paar Cent also.
Dieser Fakt reicht, um sich vorzustellen, wie die Verhältnisse bei den 5-Euro-Shirts von den „Grabbeltischen“ bei Primark und Co. aussehen.
Aber wer ist schuld an diesen Verhältnissen?
All diese Punkte zählen teilweise mit hinein – vor allem aber ist es der bis dato unüberwindbare Faktor der Armut. Die Kinder haben bei den sehr überschaubaren Durchschnittseinkommen ihrer Familien keine andere Wahl als zu arbeiten. In Bangladesch – einem der Hotspots für Kinderarbeit in der Textilindustrie – umfasst das Durchschnittseinkommen nur 1.482 Euro – nicht aber im Monat, sondern im Jahr. In Indien – einem weiteren Hotspot – sieht es mit einem Durchschnittseinkommen von 1.710 Euro im Jahr kaum besser aus.
Wenn wir uns Asien als Ganzes ansehen – und Asien ist der weltweite Hauptexporteur für Textilwaren – dann arbeiten etwa 7 % und damit 62 Mio. aller Kinder. Zwar bezieht sich diese Zahl auf die Gesamtheit aller Kinder in allen Industrien. Am Ende reden wir nicht nur über die Textilbranche, sondern von der Kinderarbeit als Ganzes und dass sie schnellstens abzuschaffen ist.
Wir müssen uns klar machen, dass das keine leichten Jobs sind, sondern vermehrt schwere Arbeiten unter ausbeuterischen Umständen. Es sind Arbeiten, die hier bei uns niemals denkbar wären und die unseren Standards nicht ansatzweise entsprechen.
Unterm Strich ist es nicht nur der reine Fakt, dass die Kinder arbeiten. In der Folge werden sie krank, sie verletzen sich, und trotz bleibender Schäden müssen sie weiter schuften. Zudem müssen sie die Schule abbrechen, wenn sie sie überhaupt besuchen können.
Erinnern Sie sich noch an 2013?
In jenem Jahr stürzte in Bangladesch ein Gebäude mit mehreren Textilfabriken ein.
Mehr als 1.000 Menschen, darunter viele Kinderarbeiter, starben. Die Medien berichteten damals fast ein halbes Jahr darüber. Oft kamen sie auf die schlechten Arbeitsumstände und die in der Textilindustrie vorherrschende Kinderarbeit zu sprechen.
Doch am Ende brachten diese Berichte – und brachten sämtliche Berichte – nur eine Erkenntnis:
Wir alle wissen, dass Kinderarbeit existiert. Und wir alle wissen, dass sie ein Problem ist. Wir wissen aber mehrheitlich nicht, was wir effektiv tun können, um sie zu unterbinden.
Was wären die Optionen?
In diesem Rahmen zwei positive Nachrichten:
Einerseits achten tatsächlich immer mehr Menschen beispielsweise auf „Fairtrade“, wenn sie neue Kleidungsstücke kaufen. Das Label „Fairtrade“ bedeutet, dass das entsprechende Produkt unter menschenwürdigen Umständen hergestellt wurde und dass die Arbeitenden faire Löhne erhielten. Abseits solcher Label vermeiden es viele Konsumenten, Produkte von Marken oder in Läden zu kaufen, die mit Kinderarbeit in der Textilindustrie verbunden zu sein scheinen.
Andererseits entwickeln sich die Zahlen der Kinderarbeiter konstant zurück. Während im Jahr 2000 noch rund 246 Mio. Kinder weltweit arbeiteten, waren es 2016 nur noch 152 Mio. Kinder.
Der Abwärtstrend ist klar erkennbar.
Wir dürfen uns aber nicht nur darauf verlassen.
Das Bewusstsein und Label wie „Fairtrade“ für das gute Gewissen reichen allein noch nicht. Denn letztendlich ist es die Armut in den Ländern, die zu bekämpfen ist. Sie macht die Kinderarbeit aus der Sicht der dort lebenden Familien erst erforderlich – abseits von dem, wie wir alle einkaufen. Oder wie die Unternehmen entsprechende „Produktionschancen“ ausnutzen. Und auch abseits von dem, was die Vereinten Nationen im Rahmen ihrer „Sustainable Development Goals“ tun.
Deshalb setzen sich Organisationen wie das Kinderhilfswerk Eine Welt e.V. dafür ein, einen Fokus zu setzen und etwas zu verändern.
Wir wollen die ausbeuterische Kinderarbeit in der Textilindustrie unterbinden.
Wir wollen den in aller Welt arbeitenden Kindern Perspektiven schenken.
Insbesondere, was die Schule und was Karrierechancen betrifft.
All diese Kinder haben das uneingeschränkte Recht auf ein Leben wie unseres und fernab der Sklaverei und Schuldknechtschaft. Auch, wenn sie mehrere tausend Kilometer von uns entfernt leben.
Kinderarbeit ist vermeidbar.
Und es ist vielversprechend, wie sich die Zahlen bereits heute entwickeln. Kaufen Sie – weiterhin – bewusst. Reden Sie darüber und helfen Sie uns mit einer Spende, unsere und damit auch Ihre Ziele weiter zu verwirklichen. Helfen Sie uns dabei, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sie würden in diesen Fabriken und zu jenen Löhnen im Leben nicht arbeiten wollen – somit sollten es andere auch nicht müssen.
Wir bedanken uns!
Dieser Artikel wurde verfasst von Eike Kewitz, freier Texter und Redakteur.
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